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Freiwillig verzichtet Riedstadt auf Polizeihelfer

„Ich denke, man hat den Bürgern hier einen Bärendienst erwiesen.“ Gosbert Dölger, Polizeipräsident von Südhessen, ärgert sich. Von der am 29. September beschlossenen Abschaffung des Freiwilligen Polizeidienstes in Riedstadt zum Jahresende hat er, wie er sagt, aus der Presse erfahren: „Für mich kam der Beschluß völlig überraschend.“

Die Gemeindevertretung Riedstadt hatte darüber abgestimmt, ob der Vertrag über den Freiwilligendienst mit dem Land Hessen verlängert wird – die Mehrheit der SPD-Fraktion, die Vertreter der Grünen Liste sowie die der FDP entschieden sich dagegen. Bürgermeister Gerald Kummer (SPD), der sich dafür eingesetzt hatte, den Einsatz der Bürgerstreife zu verlängern, konnte das nicht verhindern: Er befand sich auf Dienstreise in Italien. Und so mußte seine Vertreterin, die Erste Beigeordnete Erika Zettel (SPD), am nächsten Tag die Übereinkunft mit dem Land kündigen.

Acht freiwillige Helfer im Dienst
Daß der Großteil der SPD-Fraktion, die zusammen mit den Mitgliedern der Grünen Liste die Mehrheit in der Gemeindevertretung stellt, gegen den Wunsch des Bürgermeisters stimmte, bekümmert sie: „Ich habe versucht, die Leute umzustimmen, aber es war vergebens.“ Die CDU, die für die Beibehaltung des Polizeidienstes votiert hatte, ist verärgert. „Unglaublich, daß die Koalition dem Bürgermeister derart in den Rücken fällt“, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion in Riedstadt, Günther Schork. Sein Fraktionskollege Bernd Fraikin vermutet parteitaktische Gründe:, „Für manche ist alles, was von der Landesregierung kommt, des Teufels.“ Für den CDU-Mann kam das Ergebnis der Abstimmung „mehr als überraschend.“ Alles habe für eine Beibehaltung des freiwilligen Polizeidienstes gesprochen, sagen Fraikin und auch Dölger.

Im Oktober 2004 waren erstmals acht freiwillige Polizeihelfer in Riedstadt eingesetzt worden. Von der Polizei geschult, sollten sie auf ihren Streifgängen den Bürgern das Gefühl von Sicherheit vermitteln und durch ihre Präsenz Straftaten verhindern. Der Vertrag zwischen der Kommune und dem Land Hessen war auf Initiative des Riedstädter Bürgermeisters Kummer zustande gekommen. Nun, zwei Jahre später, präsentiert Polizeipräsident Dölger die Ergebnisse der Zusammenarbeit:

„Die Freiwilligen waren ein wichtiges Rädchen im komplizierten Sicherheitssystem Polizei“, sagt er, um dann vorzurechnen, welche Erfolge der Freiwillige Polizeidienst erzielt habe: Die Zahl der Einbruchs- und Aufbruchsfälle im dritten Quartal des Jahres etwa sei stark zurückgegangen, von 118 Fällen im Jahr 2003 auf 66 Fälle 2004 und 44 Fälle 2005. Vor allem die Zahl der Autoaufbrüche sei rapide gesunken, von 132 im Jahr 2003 auf – so lasse es eine Hochrechnung für 2006 vermuten – knapp 30 in diesem Jahr.

Sieben Euro Aufwandsentschädigung
Kommunen ohne Freiwilligen Polizeidienst, wie die Nachbargemeinden Gernsheim und Biebesheim, stünden schlechter da. „Eine so deutliche Besserung hätten wir selbst nicht für möglich gehalten“, meint Dölger. Er teile die Ansicht, das Projekt sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben, daher nicht. Genau diese Ansicht aber vertritt Patrick Fiederer, Vorsitzender der SPD-Fraktion in Riedstadt. Vor zwei Jahren hatte er noch für die Einführung der Polizeiunterstützung plädiert, nun unterstützte er die Kündigung des Vertrages. „Die Freiwilligen können nicht da einschreiten, wo es wirklich nötig wäre“, begründet er seine Ablehnung und nennt als Beispiel dafür die öffentliche Übertragung der Fußball-WM-Spiele im Sommer, für die ein Sicherheitsdienst bezahlt werden mußte.

Tatsache ist, daß der Polizeidienst die Kommune im Jahr rund 20.000 Euro kostet, da die Arbeit zwar als Ehrenamt gilt, die Freiwilligen aber pro Stunde eine Aufwandsentschädigung von sieben Euro erhalten. Hans-Dieter Bock, Vorsitzender der Grüne-Liste-Fraktion in Riedstadt und wie Fiederer (SPD) Gegner der Vertragsverlängerung, gibt zu bedenken, daß eine „Abwälzung von Aufgaben des Landes auf die Kommunen“ nicht hinzunehmen sei. „Ich sehe den Freiwilligen Polizeidienst als hilflosen Versuch des Landes Hessen, Personalmangel durch den Einsatz von Amateuren zu kompensieren.“ Zudem seien keine gravierenden Erfolge präsentiert worden. Bei einer Sitzung im Februar habe zwar ein Polizeivertreter die bisherigen Leistungen des Freiwilligen Polizeidienstes vorgestellt, „aber nicht überzeugend genug“, findet Bock. Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten seien die Vertreter der Grünen Liste schon immer gegen den Einsatz von Bürgern zur Stärkung der inneren Sicherheit gewesen.

CDU-Sprecher Schork aber will noch nicht aufgeben. „Ich erwarte, daß der Bürgermeister, wenn er nächste Woche wieder in der Stadt ist, der Kündigung widerspricht.“ Dann müße in der Sitzung im November erneut abgestimmt werden; bei einer Mehrheit für die Verlängerung sei die Kündigung gegenstandslos. „Wir müßen diesen Unglücksfall reparieren“, fordert Schork.

(c) Frankfurter Rundschau, Friederike Haupt

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