In Riedstadt siegt Marcus Kretschmann im ersten Wahlgang / In Gernsheim kommt Stephanie Herbert auf 40 Prozent
RIED. Bürgermeisterwahlen haben in diesem Jahr die Kommunalpolitik in den beiden größten Städten im Südkreis Groß-Gerau geprägt. Bei den Wahlen in vierwöchigem Abstand, am 6. November in Riedstadt und am 4. Dezember in Gernsheim, haben sich in beiden Fällen die Amtsinhaber, Marcus Kretschmann und Peter Burger (beide CDU), durchgesetzt. So ähnlich sahen die Ergebnisse bereits vor sechs Jahren aus. Damals wurde Kretschmann vom Gernsheimer Ordnungsamtsleiter und Angestellten Burgers zum ersten CDU-Bürgermeister in Riedstadt befördert. Zwar waren die Endergebnisse erwartet, dennoch gab es bei beiden Wahlen Überraschungen. Dafür sorgten ein äußerst knappes Ergebnis in Riedstadt und eine starke Herausforderin in Gernsheim.
In Riedstadt machten es die Wähler besonders spannend. Zwar führte Rathauschef Marcus Kretschmann durchgehend, seit das erste Zwischenergebnis aus Crumstadt einlief. Doch zwischenzeitlich sackte sein Stimmenanteil auf 48 Prozent ab, als der Briefwahlbezirk Leeheim ausgewertet war. Dort führte die SPD-Kandidatin Melanie Stahlecker-Zach nämlich mit 56,8 Prozent Stimmanteil vor Kretschmann (31,23 Prozent) und dem Grünen-Kandidat Thomas Caster (11,96 Prozent). Ähnlich sah es in den anderen Wahlbezirken Leeheims aus. Wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht hätte, wäre eine Stichwahl nötig geworden.
In Leeheim hat die Interessengemeinschaft (IG) Straßenbeiträge ihren Schwerpunkt und wurden die daraus hervorgegangenen Bürger für Riedstadt (BfR) gegründet. Diese waren als neue politische Kraft bei der Kommunalwahl im März 2021 aus dem Stand mit 18,26 Prozent und sieben Sitzen in die Stadtverordnetenversammlung eingezogen. Sie sind drittstärkste Kraft nach CDU und SPD (beide je zehn Sitze). Stahlecker-Zach hatte als einzige Kandidatin eine Abschaffung der wiederkehrenden Straßenbeiträge verkündet. Diese sorgen weiter für kontroverse Diskussionen. Im ersten Beschluss zu dem Thema äußerte das Verwaltungsgericht Darmstadt Zweifel an der Gültigkeit der zugrundeliegenden Satzung, weil den Stadtverordneten nicht ausreichend Kalkulationsgrundlagen vorgelegen hätten. Der Beschluss datiert vom 16. November und hätte das Ergebnis einer eventuellen Stichwahl am 27. November möglicherweise beeinflussen können.
So sicherten die zuletzt ausgezählten Briefwahlbezirke von Erfelden und Goddelau Kretschmanns Sieg im ersten Wahlgang. Am Ende erhielt der 51-Jährige 4060 der 7994 gültigen Stimmen (50,79 Prozent), 62 Stimmen mehr als für die absolute Mehrheit nötig, denn dafür brauchte es mindestens 3998 Stimmen. Melanie Stahlecker-Zach (SPD) bekam 3088 (38,63 Prozent) der Stimmen, Thomas Caster (Grüne) kam auf 846 Stimmen (10,58 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag trotz dreier Kandidaten bei bescheidenen 45,01 Prozent, noch weniger als die 46,7 Prozent von 2016. Die Mehrzahl der Bürger interessiert sich offensichtlich nicht dafür, wer ab April 2023 für sechs Jahre das Rathaus führt.
In der beständigen Schöfferstadt Gernsheim gab es zuvor wenig Zweifel, dass Peter Burger seine dritte Amtszeit ab Juni 2023 planen könnte. Dessen Vorgänger Rudi Müller (CDU) war 18 Jahre im Amt, bevor er in den Ruhestand ging. Am Ende erreichte Burger mit 60,29 Prozent und 2220 der 3682 gültigen Stimmen ein respektables Ergebnis. Doch Stephanie Herbert, die für die SPD als politischer Neuling antrat, schlug sich mit 1462 Stimmen und 39,71 Prozent wacker. Die Handelsfachwirtin holte Stimmen weit über das SPD-Lager hinaus: Die Sozialdemokraten hatten bei der Kommunalwahl 2021 nur 27,8 Prozent erreicht. Stephanie Herbert sprach von einem „Hammerergebnis für eine Newcomerin“, die im August erst mit dem Wahlkampf begonnen hätte. Mit mehr Zeit hätte sie sich durchaus Chancen ausgerechnet. Doch die Wahlbeteiligung macht auch in Gernsheim mit 44,41 Prozent Kummer.
In der Vergangenheit hatten die Riedstädter bewiesen, dass sie für Überraschungen gut sind: Im Januar 2011 zogen sie den als Parteilosen angetretenen Werner Amend mit 53,9 Prozent dem SPD-Bewerber Patrick Fiederer (46,1 Prozent) vor. Im ersten Wahlgang hatte Fiederer (34,6 Prozent) noch die Nase vor Amend (25,3 Prozent). Im November 2016 kam Amend nicht einmal mehr in die Stichwahl, die Marcus Kretschmann mit 62,3 Prozent gegen SPD-Kandidat Andreas Hirsch (37,7 Prozent) gewann.
Neu gemischt werden die Karten nächstes Jahr in Biebesheim. Denn der 48 Jahre alte Bürgermeister Thomas Schell (SPD) strebt keine vierte Amtszeit an. Er bewirbt sich als Kandidat für den Landtag. Die Bürgermeisterwahl ist für 17. September angesetzt.
(c) Groß-Gerauer Echo, Marion Menrath