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Narren an die Macht

Erstmals erstürmen in Riedstadt die Fastnachter das Rathaus, wo sie auf nur geringen Widerstand treffen


RIEDSTADT. Am Wochenende sollte das Riedstädter Rathaus gestürmt werden. Riedstadts Fastnachter hätten sich vorgenommen, „die Verwaltungszentrale der Stadt zu erobern“ und die Macht zu übernehmen, hieß es bereits vor Tagen in einer Pressemitteilung der darüber besorgten Stadt. Auch, dass der Bürgermeister hartnäckig das Rathaus verteidigen werde. Bürger, die dann am Samstag dort, etwa zur Unterstützung der Verwaltung, eintrafen, mussten jedoch feststellen, dass noch keine Verteidigungsvorbereitungen getroffen waren: Uniformierte Ordnungskräfte waren nicht vor Ort, ebenso fehlten etwa Wasserwerfer in den Seitenstraßen.

Die Hilfe der Bürger wurde offenbar nicht gebraucht; zudem schien das gesamte Verhalten vor Ort eher konspirativ: Denn als gegen elf Uhr, sämtliche Verkehrsampeln missachtend, die Riedstädter Jecken aus den fünf Stadtteilen in Formation auf das Rathaus zu marschierten, angeführt vom Musikzug aus Erfelden, war dort trotz dienstfreiem Samstag die Rathaustür sperrangelweit geöffnet. Davor warteten nur etwa ein Dutzend als Piraten verkleidete Verwaltungsbedienstete mit ihrem Bürgermeister als Anführer: nicht in Kampfmontur, sondern mit erwartungsfroher Miene.
Ihnen standen nun, wie eine Bastion, über 100 kostümierte Riedstädter Jecken gegenüber – und mit einer geladenen Kanone. Die sei jedoch noch nicht auf das Rathaus ausgerichtet. Denn man wolle ja das Haus nicht demolieren, „schließlich woll’n mir da regiern“, schallte es dem jetzt verängstigt wirkenden Häuflein Piraten entgegen.

Als der Anführer der Piraten es wagte, auf sein Hausrecht zu bestehen, sich jedoch geringschätzig an das „von Suff gezeichnete, abgemagerte Gesindel“ wandte und den Zugang verwehrte, hielten die ihm zornig vor, dass er sein Haus nicht unter Kontrolle habe. Sie nannten den fehlenden Haushalt, das Abfalldesaster und kritisierten die Straßenbeiträge. Ihr Fazit: „Mir wolle ins Rathaus und endlich regiern, Ordnung bringe in die Papiern.“ Sie unterstützten ihre Forderung einerseits mit Kanonendonner und andererseits mit schmissiger Musik, um die Bediensteten damit aus dem Rathaus zu locken.

Diese Taktik verfing und der Bürgermeister übergab den Rathausschlüssel. Jedoch mit dem Hinweis: Aschermittwoch ist Schluss. Die ins warme Rathaus drängenden Narren wurden von den Piraten ins oberste Stockwerk dirigiert, wo im bereits mit Fastnachtsmotiven geschmückten Rathaussaal Erfrischungsgetränke und durch im Kreis sitzende Kinder eine Arena vorbereitet waren.

Ein Platz, auf dem dann Gardetanzgruppen aus den einzelnen Stadtteilen ihr Können zeigten. Da traten etwa das Garde-Duo des TSV Goddelau und das Tanz-Duo der KIS aus Crumstadt auf. Ebenso zeigten „Delizia“, eine Gruppe Elf-bis 15-Jähriger, und die „Twisters“, beide vom LCV Leeheim, das Ergebnis ihres monatelangen Trainings.

Patrick Fiederer, über Riedstadt hinaus als Vollblutfastnachter geschätzt, der dieses etwa einstündige Programm mit viel Witz, Stimmungs- und Schunkelliedern moderierte, war hier in seinem Element. Er informierte die froh gestimmte Versammlung im Namen der Rathausbesetzer auch über Eckpunkte der nun gültigen Geschäftsordnung: Etwa, dass die Straßenbeiträge abgeschafft würden. Möglich, dass diese Nachricht ebenso kurzlebig ist, wie die Ursprungsmeldung über die „Erstürmung“ des Rathauses.

(c) Groß-Gerauer Echo, Hans-Heinrich Hahndorf

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